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BOTSCHAFT VON BENEDIKT XVI.
AN DIE TEILNEHMER DER ROSENKRANZANDACHT
ANLÄSSLICH DES VI. WELTTREFFENS DER FAMILIEN
IN MEXIKO-
Samstag, 17. Januar 2009
Liebe Brüder und Schwestern,
liebe Familien!
1. Euch allen, die ihr euch hier eingefunden habt, um unter dem mütterlichen Blick Unserer Lieben Frau von Guadalupe das VI. Welttreffen der Familien zu begehen, wünsche ich: »Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und vom Herrn Jesus Christus« (2 Thess 1,2).
Ihr habt soeben den heiligen Rosenkranz gebetet und die freudenreichen Geheimnisse des menschgewordenen Gottessohnes betrachtet, der in der Familie von Maria und Josef geboren wurde und in Nazaret in der häuslichen Vertrautheit aufwuchs, zwischen den Alltagsbeschäftigungen, dem Gebet und den Beziehungen zu den Nachbarn. Seine Familie nahm ihn mit Liebe an und behütete ihn, führte ihn in die Einhaltung der religiösen Traditionen und der Gesetze seines Volkes ein, sie begleitete ihn bis zur menschlichen Reife und zu der Sendung, für die er bestimmt war. »Jesus aber wuchs heran, und seine Weisheit nahm zu und er fand Gefallen bei Gott und den Menschen« (Lk 2,52).
Im Wechsel mit den freudenreichen Geheimnissen gab es die Zeugnisse einiger christlicher Familien aus allen fünf Kontinenten, die gleichsam ein Echo und Widerschein der Geschichte Jesu und seiner Familie in unserer Zeit sind. Diese Zeugnisse haben uns gezeigt, daß der Same des Evangeliums in den verschiedenen Situationen der heutigen Welt weiterhin keimt und Früchte trägt.
2. Das Thema dieses VI. Welttreffens der Familien – »Die Familie, Erzieherin zu den menschlichen und christlichen Werten« – erinnert daran, daß das Zuhause für alle Glieder der Familie eine Schule der Humanität und des christlichen Lebens ist, mit positiven Konsequenzen für die Menschen, die Kirche und die Gesellschaft. Tatsächlich ist die Familie dazu berufen, die gegenseitige Liebe und die Wahrheit, den Respekt und die Gerechtigkeit, die Treue und die Zusammenarbeit, den Dienst und die Verfügbarkeit den anderen, besonders den Schwächsten gegenüber zu leben und zu pflegen. Die christliche Familie, die »die lebendige Gegenwart des Erlösers in der Welt und die wahre Natur der Kirche allen kundmachen soll« (Gaudium et spes, 48), muß von der Gegenwart Gottes durchdrungen sein, während sie die Angelegenheiten des Alltags in seine Hände legt und für die angemessene Erfüllung ihrer unverzichtbaren Sendung seine Hilfe erbittet.
3. Dazu ist das Gebet in der Familie in den passendsten und wichtigsten Augenblicken von größter Bedeutung, »denn« – wie der Herr selbst versichert hat – »wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen« (Mt 18,20). Und der Meister ist gewiß in der Familie gegenwärtig, die das Wort Gottes hört und darüber nachdenkt, die von ihm lernt, was das Wichtigste im Leben ist (vgl. Lk 10,41–42), und seine Lehren in die Praxis umsetzt (vgl. Lk 11,18). Auf diese Weise wandelt und verbessert sich schrittweise das persönliche und familiäre Leben, wird der Dialog bereichert, der Glaube an die Kinder weitergegeben, wächst die Freude am Zusammensein, und das Zuhause hält zusammen und festigt sich immer mehr wie ein auf Fels gebautes Haus (vgl. Mt 7,24–25). Mögen die Hirten nicht ablassen, den Familien zu helfen, damit sie auf fruchtbare Weise in den Genuß des Wortes Gottes in der Heiligen Schrift kommen.
4. Durch die Kraft, die aus dem Gebet erwächst, verwandelt sich die Familie in eine Gemeinschaft von Jüngern und Missionaren Christi. In ihr wird das Evangelium empfangen und weitergegeben und in ihr strahlt es aus. Wie mein verehrter Vorgänger Paul VI. gesagt hat: »Die Eltern vermitteln nicht nur ihren Kindern das Evangelium, sie können dieses gleiche Evangelium auch von ihnen empfangen, und zwar als tief gelebtes Evangelium« (Evangelii nuntiandi, 71).
Wenn die christliche Familie das Vertrauen und den kindlichen Gehorsam gegenüber Gott, die Treue und die hochherzige Annahme der Kinder, die Sorge für die Schwächsten und die Bereitschaft zum Vergeben lebt, wird sie zu einem lebendigen Evangelium, das alle lesen können (vgl. 2 Kor 3,2), ein vielleicht überzeugenderes Zeichen der Glaubwürdigkeit, das imstande ist, die heutige Welt auf den Plan zu rufen. Sie soll ihr Lebenszeugnis und ausdrückliches Glaubensbekenntnis auch in die verschiedenen Bereiche ihrer Umgebung tragen, wie die Schule und die verschiedenen Vereine, und sich auch für die Unterweisung der Kinder im Glauben und die pastoralen Aktivitäten ihrer Pfarrgemeinde einsetzen, vor allem für jene, die mit der Ehevorbereitung verbunden sind oder in spezifischer Weise dem Familienleben gelten.
5. Wenn das Zusammenleben im Kreis der Familie zeigt, daß sich Freiheit und Solidarität gegenseitig ergänzen, daß das Wohl jedes Mitglieds dem Wohl der anderen Rechnung tragen muß, daß die Ansprüche strenger Gerechtigkeit offen sein müssen für das Verständnis und für die Vergebung zugunsten des Gemeinwohls, so ist es ein Geschenk für die Menschen und eine Quelle der Inspiration für das gesellschaftliche Zusammenleben. Die sozialen Beziehungen können in der Tat die grundlegenden Werte des echten Familienlebens als Bezugspunkt nehmen, um jeden Tag menschlicher zu werden und zum Aufbau der »Zivilisation der Liebe« voranzuschreiten.
Zudem ist die Familie auch die Lebenszelle der Gesellschaft, die erste und entscheidende Möglichkeit für ihre Entwicklung und oft die letzte Zuflucht von Menschen, deren Bedürfnissen die festgefahrenen Strukturen nicht nachkommen können.
Wegen ihrer grundlegenden sozialen Funktion hat die Familie ein Recht darauf, in ihrer Freiheit anerkannt und nicht mit anderen Formen des Zusammenlebens verwechselt zu werden; und sie hat auch ein Recht darauf, auf den notwendigen kulturellen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Schutz zählen zu können und ganz besonders auf eine ausreichende Unterstützung, die der Anzahl der Kinder und der verfügbaren wirtschaftlichen Möglichkeiten Rechnung trägt, um die Freiheit der Erziehung und die Wahl der Schule zu ermöglichen.
Es ist daher notwendig, eine Familienkultur und Familienpolitik zu entwickeln, die in organisierter Form auch von den Familien selbst gefördert werden soll. Ich ermutige euch daher, euch den Verbänden anzuschließen, die die Identität und die Rechte der Familie gemäß einem Menschenbild fördern, das im Einklang mit dem Evangelium steht, und ich lade diese Verbände ein, sich abzustimmen und zusammenzuarbeiten, damit ihre Aktivität wirkungsvoller ist.
6. Abschließend fordere ich euch alle auf, großes Vertrauen zu haben, denn die Familie hat ihren Platz im Herzen Gottes, des Schöpfers und Heilands. Für die Familie zu arbeiten bedeutet, für eine würdige und lichtvolle Zukunft der Menschheit und für den Aufbau des Reiches Gottes zu arbeiten. In Demut vereint erflehen wir die göttliche Gnade, damit sie uns helfe, engagiert und mit Freude für die edle Sache der Familie zu arbeiten, die dazu berufen ist, evangelisiert zu werden und zu evangelisieren, menschlich zu sein und andere menschlicher zu machen. Bei dieser schönen Aufgabe begleitet uns mit ihrer mütterlichen Fürsprache und mit ihrem himmlischen Schutz die allerseligste Jungfrau Maria, die ich heute unter dem glorreichen Titel Unserer Lieben Frau von Guadalupe anrufe und in deren mütterliche Hände ich die Familien der ganzen Welt lege.
Danke.
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